Ein Zwischenruf, auch Kommentar genannt, ist ein journalistisches Instrument, mit dem der Autor eine Meinung zu einem bestimmten Ereignis oder Problem wiedergibt. Seine Meinung. Der Zwischenruf gibt nicht die Meinung eines kompletten Mediums wieder und muss schon gar nicht von jedem Leser geteilt werden. Aus gegebenem Anlass greift Bodo Malsch, Redakteur des LRN-Kuriers, hier zu diesem Stilmittel.
Eine verpasste Chance
Dass die Session am 14. Dezember 2021 endete, war für einen kleinen Kreis hoher karnevalistischer Amtsträger im Land keine Überraschung. Fassungslos mussten sie jedoch feststellen, dass es auf unerwartete Weise geschah. Bis etwa 13.30 Uhr waren sie noch zuversichtlich, dass die nordrhein-westfälische Regierung eine klare Entscheidung treffen würde. Eine, welche die Vereine aus einem unseligen Zustand zwischen Hoffen und Bangen und vor allem aus der finanziellen Haftung für die von ihnen eingegangenen Verträge herausholen würde. Doch in Düsseldorf fehlte der politische Wille dazu. Das Ergebnis eines Gesprächs in der Staatskanzlei war diametral entgegengesetzt. Es schiebt den Vereinen den Schwarzen Peter zu. Sie sollen ihre Veranstaltungen freiwillig absagen und dafür auf die Zusage finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand vertrauen.
Verwundert reibt sich da mancher die Augen und fragt sich, wie sich die Vertreter des Karnevals – immerhin zwei gestandene Verbandspräsidenten - bei der Sitzung in der Staatskanzlei auf eine Vereinbarung einlassen konnten, die das finanzielle Risiko bei den Vereinen belässt. Die Beantwortung der Frage ist müßig. Es wurden Fakten geschaffen, zumindest ein gewaltiger moralischer Druck aufgebaut. Denn bei den Bürgerinnen und Bürger ist nur angekommen, dass der Karneval in NRW abgesagt ist. Jeder Verein, der trotzig doch eine Veranstaltung planen würde, hätte Unverständnis und öffentliche Kritik zu erwarten.
Für die Vereine geht es nun um die nackte Existenz. Sie können nur hoffen, dass der Fördertopf auch für die Kleinen reicht und dass nicht, wie bei anderen Formen der Corona-Hilfe, ein aufwendiger bürokratischer Akt nur wenig in die Kasse bringt. Tausende Selbstständige und Kleinunternehmer, die vollmundigen politischen Versprechungen Glauben schenkten, können da traurige Erfahrungen beisteuern. Karnevalsvereine in NRW, die jetzt Geld aus öffentlichen Kassen haben wollen, müssen bis zum 23. Dezember ihre Veranstaltungen absagen und sich in einem online-Portal registrieren. Man darf darüber spekulieren, warum das Land so enge zeitliche Vorgaben macht. Sollen die Betroffenen nicht gründlich über das, was da von ihnen verlangt wird, nachdenken? Beeilt man sich, der Omikron-Variante zuvor zu kommen, die möglicherweise in wenigen Wochen so tobt, dass die Politik die Session ohnehin hätte beenden müssen? Eine Entscheidung, die man partout in Düsseldorf zu scheuen scheint. Vielleicht weil man das, was Wähler im Mai 2022 dazu veranlassen soll, ihr Kreuz an einer bestimmten Stelle zu setzen, konsequent verkennt? Immerhin sind unter diesen Wählern auch Hunderttausende Karnevalisten.
Ministerpräsident Hendrik Wüst hätte sich als entschlossener Politiker beweisen können, hätte er den Mut gehabt, die Absage des Sitzungskarnevals auf seine Kappe zu nehmen. Argumente für eine ministerielle Verfügung mit Gesetzescharakter hätten sich gefunden. Zum Beispiel jenes, dass bei Veranstaltungen, bei denen Limonade kein Hauptgetränk ist, corona-konformes Verhalten ab einer bestimmten Uhrzeit nicht mehr von jedem zu erwarten ist. Wüst hätte die Session zwar beendet, damit aber erheblich zur Rettung des Winter-Brauchtums in NRW beitragen können. Die Chance hat er verpasst. Man wird ihm Vieles bescheinigen können. Dass er das Zeug zum Karnevalshelden hätte, gehört nicht mehr dazu.