Das Kompetenzzentrum für Kulturerbe der Universität Paderborn hat über 1.500 Personen befragt

Vom 25. Februar bis zum 28. April 2021 haben insgesamt 1.542 Personen an einer Online-Umfrage teilgenommen. Knapp 87 Prozent von ihnen sind Mitglied in einem Karnevalsverein. „Die hohe Teilnahmebereitschaft an der Umfrage zeigt, wie stark das Bedürfnis nach wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem immateriellen Kulturerbe während der Krise ist. Gerade die kulturelle Praxis gesellschaftlicher Rituale, Bräuche und Feste ist von der Pandemie stark und in ihren Kernelementen betroffen“, betont Prof. Dr. Eva-Maria Seng, Leiterin des Kompetenzzentrums für Kulturerbe. Auch der LRN war in diesem Zusammenhang kontaktiert worden und hatte die Werbetrommel für die Umfrage gerührt.

Erste Ergebnisse hat das Kompetenzzentrum der Uni Paderborn nun in einer Pressemitteilung vorgestellt. Die Umfrage mache deutlich: Geselligkeit, Gemeinschaft, Frohsinn, Tradition, Gemeinsinn, regionale Identität und Kontinuität zeichnen für 90 Prozent der Befragten den rheinischen Karneval am stärksten aus. „Schon an diesen noch allgemeinen Angaben ist zu erkennen, wie schwer die einzelnen Aspekte in Einklang mit den Restriktionen der Coronapandemie zu bringen sind“, hebt der wissenschaftliche Mitarbeiter Jonas Leineweber hervor.

Dass sich die kulturelle Praxis des rheinischen Karnevals durch die Pandemie stark oder sehr stark verändert hat, denken nahezu alle Befragten (96 Prozent). Im Vergleich zu anderen Veranstaltungen und Angeboten der Vereine bedauern über 90 Prozent der Umfrageteilnehmer den Ausfall der Karnevalsumzüge und -sitzungen am meisten. Die Veranstaltungen haben für mehr als 90 Prozent insbesondere als Ort der Begegnung, der Geselligkeit und Gemeinschaft gefehlt. Auch das Erleben von künstlerischen Auftritten und die Abwechslung zum Alltag haben über 85 Prozent der Befragten stark beziehungsweise sehr stark vermisst. Der Wegfall des ausgelassenen Feierns und des gemeinsamen Essens und Trinkens wurde dagegen mit knapp 70 Prozent weniger bedauert.

Dennoch halten 93 Prozent der Befragten die Absage der Karnevalsfeste der Session 2020/21 vor dem Hintergrund der Coronapandemie für richtig. Aus ihrer Sicht hätten die Vereine während dieser Zeit insbesondere Werte wie Verantwortungsbewusstsein (87 Prozent), Vernunft (83 Prozent) und Solidarität (77 Prozent) vermittelt. „Wie zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteure haben auch die Karnevalsvereine ihre Scharnierfunktion und gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen und somit dazu beigetragen, die Einhaltung der Restriktionen und die gebotene Rücksichtnahme in die Breite der Gesellschaft zu tragen“, so Leineweber.

Die von vielen Vorständen durch das Pandemiegeschehen befürchtete Entwöhnung und Abwendung vom Verein sind laut der Umfrageergebnisse dagegen nicht messbar. Die Motivation, zukünftig eine Karnevalsveranstaltung zu besuchen, ist sogar bei knapp der Hälfte der Befragten gestiegen und nur bei ca. 5 Prozent gesunken. 28 Prozent schilderten außerdem, motivierter zu sein, sich zukünftig in einem Karnevalsverein zu engagieren

Außerdem haben die Wissenschaftler*innen danach gefragt, in welchen Bereichen sich die Karnevalsvereine während der Pandemie weiterentwickelt haben. Die größten Tendenzen sehen die Befragten bei der Nutzung sozialer Medien (46 Prozent) und von Videoformaten (41 Prozent) sowie im Bereich der Digitalisierung (40 Prozent). Auch seien die Vereine kreativer geworden (45 Prozent). Leineweber vermutet, dass damit insbesondere die Gestaltung von Alternativprogrammen gemeint sein dürfte.

Sollte die Krise anhalten, sodass Umzüge, Sitzungen und Konzerte weiterhin ausfallen müssen oder nur stark eingeschränkt stattfinden können, habe das aus Sicht der Befragten erhebliche Folgen für die Praxis der Karnevalsvereine – aber auch für das Leben in den Städten und Dörfern. 74 Prozent rechnen dann mit einem Rückgang der Vereinsgemeinschaft, 68 Prozent gehen von einem Mitgliederschwund und 73 Prozent sogar von einer Existenzbedrohung der Karnevalsvereine aus.

Die wissenschaftliche Auswertung der Daten soll im Jahr 2022 abgeschlossen und veröffentlicht werden. Wir finden diese Studie sehr interessant, und deshalb veröffentlichen wir den derzeitigen Stand der Auswertung. Sobald uns weitere Informationen vorliegen, werden wir an dieser Stelle weiter berichten.